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MARX / ARBEIT / CD / 2004

Presse:

Kleiner Trompeter auf Koks
© Thomas, Marburg
in: Position. Magazin der SDAJ, Nr. 3, Juni 2005

Das gute alte Arbeiterlied ist beim Durchschnittspositionsleser wohl hinlänglich bekannt und beliebt, doch eignet es sich für gewöhnlich ja nicht um damit das Publikum der Stammdiskothek zu begeistern. Es wäre doch eine lohnenswerte Herausforderung dieses Kulturgut der Arbeiterklasse mal auf den heutigen Stand der Musikkultur zu heben. Dieses hat sich das Frankfurter Trio "Arbeit" zur Aufgabe gemacht. Allerdings scheinen sie damit trotzdem nur ein besonders exklusives Publikum ansprechen zu wollen.
Auf ihrer aktuellen CD "Marx" neuinterpretieren sie Hits der Arbeiterbewegung. Brecht, Eisler, Busch und Co. sollen so zu neuem Leben erwachen. Leider geschieht dies anscheinend zusammen mit dem Versuch die bürgerliche Harmonielehre schöpferisch aufzuheben, was nur selten dem Ohr der gewöhnlichen HörerIn zugänglich ist.
So wird collagenartig mit Samples, Verzerrern und anderen Entfremdungstechniken gearbeitet. Herausgekommen ist ein "Spartakuslied", das wie ein Gruselhörspiel wirkt, ein "kleiner Trompeter" auf Koks, sowie eine experimentelle Version von "Auferstanden aus Ruinen", die klingt als hätte man sie musikalisch um die vorübergehende Niederlage der ArbeiterInnenbewegung von '89 aktualisiert.
Die Hälfte der auf der CD enthaltenden 53 Minuten wirkt eher gruselig und fremd. Aber es gibt auch dem unstudierten Publikum zugängliche Tracks. "Der heimliche Aufmarsch" (Eisler/Weinert/Busch) und "Die Internationale" kommen bspw. als durchaus tanzbare Club-Remixes daher, die nun wirklich Spaß machen und massentauglich sind. Sie haben genau das, was der Kommunismus in Zukunft brauchen wird: sexy Sounds & fette Beats!


de:bug 2005

Ein Abgleich: Wie aktuell sind die Lieder der Arbeiterbewegung heute noch? Anhand dieser Fragestellung untersuchen die Frankfurter Oliver Augst, Marcel Daemgen und Christoph Korn im Auftrag des Deutschlandfunks die Texte sozialistischen Liedguts von Eisler, Becher, Brecht und anderen. Natürlich ist da die Rede von angestaubten Begriffen wie Spartakisten, sozialistischer Weltrepublik, roten Bannern und weiteren oft überstrapazierten Begriffen, die zunehmends aus dem Bewusstsein verschwinden. Den dahinter steckenden Inhalten spürt das Trio dahingehend nach, dass sie diese in einen vorwiegend elektronischen Kontext setzen, Texte zerschneiden, neu einsprechen oder sie mit historischen Fragmenten mischen. Im Ergebnis schwinden Sperrigkeit und Pathos mancher Stücke zugunsten einer eher theatralischen Stimmung. Dadurch ergibt sich ein Umfeld, das einen neuen Blick auf diese Musik und die dahinterstehenden Inhalte ermöglicht. Die drei Musiker eröffnen einen Platz für Gedanken zum Umgang mit Verdrängung, Vereinnahmung und dem, was da alles passiert ist ist vor 16 Jahren mit den zwei Deutschlands, wofür diese standen und vielleicht auch, warum das hier das Land der Unzufriedenen ist. Ein modernes Trauerspiel.



Frankfurter Rundschau 3.1.05

Historische Träume

Dem Karl Liebknecht haben wir's geschworen. Nun hat das mit dem Spartakusaufstand bekanntlich damals zwar nicht richtig geklappt, aber es gibt trotzdem immer noch dieses Lied, das keiner mehr braucht und das irgendwie davon handelt, dass alles auch anders hätte kommen können. Es enthält Erinnerungen an eine historische Ambition, die wenige Jahre später in einen Kontext von Stalinismus und bipolarer Weltordnung geraten ist, von dem der Wache stehende Berliner Spartakist des Jahres 1919 noch nichts ahnen konnte.

Man kann diese abgelegten, oft ein wenig dürftigen Lieder natürlich ignorieren. Man kann sie nostalgisch feiern, und man kann sie ernst nehmen und dann beispielsweise so bearbeiten wie die drei Frankfurter Musiker Oliver Augst, Marcel Daemgen und Christoph Korn das tun.

"Arbeiter, Bauern, nehmt die Gewehre, nehmt die Gewehre zur Hand" wird da beispielsweise zu tanzbaren Beats und entschlossener elektronischer Begleitung geschmettert. Aber manchmal funktioniert Erinnerung auch anders. Die Eisler / Becher-DDR-Hymne Auferstanden aus Ruinen erkundet in der Bearbeitung des Trios die Ränder des Hörbaren, Textfetzen aus den abgelegeneren Erinnerungs-Regionen ziehen vorüber, man hat das alles schon fast vergessen, die Ruinen, das Auferstehen. Andere Stücke kehren als Todeslieder, Verlustlieder, Trauerlieder zurück.

Augst, Daemgen und Korn lassen sich weniger von Gesinnung als von historisch reflektierender Intelligenz leiten. Der größte Teil der Stücke kommt nicht markig vorbeimarschiert, sondern erscheint als fragiler Traum, geräusch- und materialhaft, denkend, sinnend, intim und gefühlvoll. Die kompositorische Arbeit ist ein vielschichtiges, sensibles Spiel mit Lärm und Stille, das, neben einem souveränen Umgang mit zeitgenössischer elektronischer Musik, auch einen an Hanns Eisler geschulten Materialbegriff erkennen lässt. Der Rosa Luxemburg reichen wir die Hand. H.L.

arbeit (Augst / Daemgen / Korn):
"Marx", CD. Grob 657, Alte Kölner Str. 10, 40699 Erkrath, www.churchofgrob.com,


ARBEIT
Marx
(Grob / a-Musik)
Gibt es so etwas wie linke Musik? Wahrscheinlich ist schon die Frage falsch gestellt und müßte korrekt lauten: Gibt es einen linken Musikgeschmack? Doch selbst das läßt sich nicht so einfach beantworten. Da es "die Linke" als einheitliche Bewegung nicht gibt, ist auch kein kleinster musikalischer Nenner auszumachen. Nicht einmal Bob Dylan, der längst schon zum gemeinsamen Nenner der mit freundlichem Antlitz auftretenden Zivilgesellschaft mutiert ist und laut NDR-Talkshow vom 3. Dezember von Horst Köhler ebenso wie von Friedrich Merz geschätzt wird. Vielleicht hat Rezzo Schlauch ja auf den Punkt gebracht, wie man sich den Musikgeschmack der heutigen Restlinken vorstellen muß. In einem an sich hellsichtigen, erstaunlich antinationalen offenen Brief gegen die deutsche Radioquote, schrieb er am 2.10. in der "taz": "Dort (im Radio) wünsche auch ich als alter Musikfan mir mehr französischen Rap, jamaikanischen Reggae, kubanische Songs, Salsa, Afrobeat und ja, auch mehr gute Musik aus Deutschland." Man sieht es geradezu vorm geistigen Auge beben, das Multikulti-Zelt mit den leicht bekleideten Brasilianerinnen, der Trommelgruppe aus Tansania und den Ständen, die fair gehandelten Kaffee verkaufen. Musik erstickt dort, so gut alles auch gemeint sein mag, unter der sich kollektiv herzenden Umarmung, trägt einen erbärmlichen Optimismus zur Schau, dessen ebenso verführerische wie den Verhältnissen unangemessene Leichtigkeit auch auf die Aushängeschilder linker Pop- und Rockmusik von Manu Chao bis Chumbawamba abgefärbt hat. In der von Adorno einst ausgemalten akustischen Hölle existiert kein materialästhetischer Unterschied zwischen linker Fröhlichkeit und Britney Spears, zwischen Latino-Power und "Superstars"-Gezappel.
Gegenüber einem solch verengten Verständnis von politischer Musik hat die sogenannte, nicht zuletzt auch in "konkret" immer wieder abgewatschte Poplinke stets auf einen Ansatz materialästhetischer Mainstream-Abweichung gesetzt, der zwar wenig Gemeinsamkeiten mit Adornos Musiktheorie, aber doch einige mit dessen Kulturindustrie-Kritik aufweist. Mit Aphex Twin und Autechre, Le Tigre und Bright Eyes setzt die (sich auf den "Melodie-und-Rhythmus"-Seiten dann doch immer wieder durchsetzende) Poplinke zwar nicht mehr auf die reine Lehre, der Zwischentöne nur als "Krampf im Klassenkampf" (Degenhardt) erscheinen, sehr wohl aber auf die bessere (Pop-)Musik. Ob der Weg in eine bessere Gesellschaft da nur von Geschmacksfragen bestimmt und somit als innovative Normabweichung ins kapitalistische Kleid eingenäht wird, muß an anderer Stelle ebenso entschieden werden wie die Frage, ob nicht auch Mossmann, Degenhardt und Co. einmal als solch modische Tupfer Verwendung gefunden haben.
Das Frankfurter Trio Arbeit, bestehend aus Oliver Augst, Marcel Daemgen und Christoph Korn, arbeitet sich an genau diesen Fragen ab, vor allem an jener, ob es überhaupt eine Schnittstelle zwischen Agit-Prop und aus Pop-Verständnis heraus innovativer, sagen wir ruhig hipper Musik geben kann. Ihr im Zusammenarbeit mit dem "Deutschlandfunk" entstandenes "Marx"-Projekt beantwortet diese Frage ebenso ambivalent wie gewinnbringend. Denn, um dies gleich vorwegzunehmen: Scheitern kann auch eine Lösung sein. Im Booklet sind vier junge Männer abgebildet, in den Laptop versunken, Kopfhörer auf den Ohren - der Alptraum für Fetischisten handgemachter Revolutionsromantik. Sie vertonen Stücke von Eisler, Texte von August Bebel, Friedrich Hölderlin, Heinrich Heine und Frantz Fanon. Das "Spartakuslied", "Die Internationale" und "Auferstanden aus Ruinen" erklingen in ungewohnten Arrangements, durchsetzt von zeitgenössischer Elektronik, also von jener Clicks'n'Cuts-Ästhetik, die viele Linke als Soundtrack von Kunstgalerien und Designerclubs verschmähen.
Techno-City Frankfurt, die Stadt, aus der das Geld kommt, hat sich Marx angenommen und produziert bewußt nicht ideologischen, sondern distinktiv ästhetischen Mehrwert. Zwischen klammem Pathos produzierender Laibach-Ästhetik und als dialektisch verstandenen Noise-Splittern, die der textlichen Eindeutigkeit akustische Fragezeichen beigeben, wird einerseits die musikalische Angemessenheit alter Arbeiter- und Kampflieder in Frage gestellt, andererseits aber auch die Aktualität der darin verhandelten Inhalte betont: "Einstiges Zelebrieren begegnet bestenfalls als Zitat", heißt es in den Liner Notes, "die romantische Emphase fehlt (weitgehend) - an ihre Stelle treten als Geste die Trauer und als Technik Collage und Schnitt".
Warum das "Marx"-Projekt scheitern mußte, liegt auf der Hand: Eisler ist ohne die beigegebene, möglicherweise romantisch gefärbte Emphase ebenso wenig denkbar und damit emotional wirksam reproduzierbar wie elektronische Musik à la Autechre ohne die ihr innewohnende Abstraktion, Bezugslosigkeit und mimetisch vollzogene Anpassung ans Entfremdete funktioniert. Wo beides zusammentrifft, entstehen Defizite, die so klingen, als wollte man eine Beethoven-Symphonie alleine mit dem Drumcomputer nachspielen. Doch gerade das macht die Qualität der Stücke aus: Arbeit wollen keine Revolutionshymnen liefern, sondern die Grenzen sowohl der Eisler-Ästhetik wie auch der zeitgenössischen Pop-Avantgarde ausloten - im Sinne einer "Trauerarbeit", wie es im Booklet heißt, die sich weder mit der Tabuisierung noch mit einer nostalgisch-authentischen Rekonstruktion revolutionärer Musik zufrieden gibt.
"Marx" ist bei "Grob" erschienen, dem in Deutschland momentan führenden Label für zeitgenössische Improvisation und Freejazz, und nimmt sich dort eher wie ein Fremdkörper aus. In den 1970er Jahren war das Berliner "FMP"-Label die erste Anlaufstelle für Freejazz, veröffentlichte Platten von Cecil Taylor, Peter Brötzmann und Evan Parker und hatte auch seinen Fremdkörper im Programm, die eigenwilligen Eisler-Interpretationen von Heiner Goebbels und Alfred Harth. Goebbels/Harth kamen aus Frankfurt am Main. History repeats itself. Die Eisler-Versionen von Arbeit sind ebenso gewagt, zeitgemäß, kontrovers und brüchig wie deren Aufnahmen für "FMP". Ob es hierfür noch einen Markt gibt, ist allerdings fraglich. Die einen werden wohl lieber auf Ernst Busch zurückgreifen, die anderen sich lieber den neuesten heißen, von "Spex" oder "Intro" gepriesenen Indie-Act zulegen. Die Schnittmenge zwischen sogenannten Pop- und sogenannten Altlinken funktioniert nicht, obgleich zu wünschen wäre, daß sich beide ihrer Klischeehaftigkeit bewußt und daraufhin sich selber oder doch zumindest Teile ihrer Plattensammlung endlich einmal entsorgen würden.
Martin Büsser


neue musik zeitung
6/05
Marx – ein Arbeiterlied-Projekt von Oliver Augst, Marcel Daemgen und Christoph Korn (remixed)
Deutschlandfunk Grob 657

Das falsche Pathos, das sich in der Geschichte (auch oder gerade des ehemaligen Ostblocks) über die revolutionären Arbeiterlieder von Eisler und anderen legte, wird hier gründlich abgewaschen. Es ist gewiss nicht der Sound, der die Musik macht, aber er bewirkt, dass sie neu aus ihren Ruinen ersteht (auch mit neuem, freilich brüchigem Pathos). Wer seine Gefühle verletzt sieht, sollte sie prüfen.


Pro Sieben

Kritik

Das Künstlertrio Marcel Daemgen, Oliver Augst und Christoph Korn betreiben im Auftrag des "Deutschlandsradio" (die dieses Projekt herausgeben) Archäologie am deutschen Arbeiterlied. Mit der Methodik des Sampling, welche hier sowohl als musikalischer Prozess wie auch als Erprobung des historischen Materials verstanden werden will, nähert man sich der kritischen Betrachtung und Auseinandersetzung mit dem Ausgangsmaterial, vergleichsweise der Freud´schen Trauerarbeit. Wider der Verdrängung auf der einen Seite, pro der populären Aufmerksamkeit für Anachronismen auf der anderen. Dabei erhebt diese sehr subjektive Interpretation weder den Anspruch auf inhaltliche Vollständigkeit, noch sind ausschließlich Texte und Stücke von Hans Eisler, Berthold Brecht, August Bebel und Heinrich Heine verarbeitet. Vielmehr sucht diese elektronisch entfachte Kollage auch nach kontextuellen Zitaten von Shakespeare, Hölderlin und Fanons.
Widersprüche werden aufgezeigt, Aussagen aufgelöst. Dabei werden neben den originalen Liedversen vor allem die ästhetischen Systeme überprüft, die in ihrer Verfremdung entweder neuen Pathos schöpfen oder durch die dargelegte Verzerrung neue Perspektiven offenbaren. "Marx", der Namensstifter dieses Albums, war seinerseits eher von der Poesie eines Balzac angetan, denn dass er sich mit den Arbeiterdichtern wie eines Freiligraths identifizierte. Solche Brüche kann man verleugnen oder feiern. Ähnlich darf man diese "Arbeit" begreifen – es geht auch um das tonale Potential, den Atem von Begeisterung. Wenn Breakbeats den "Heimlichen Aufmarsch" hymnisch auf den Dancefloor holen, oder Clicks&Cuts einstige Slogans zerschneiden, harsche Momente sich mit feinsinnigen Passagen ablösen, dann ist diese Analyse nicht nur hellsichtig, sondern auch als Hörspaß einmalig. Arbeit und Deutschlandradio sei dank.
(VÖ 14.2.2005)



CD Information / Titel
Booklet-Text
Label-Info von Felix Klopotek
Arbeit an Marx - Feature Deutschlandfunk
ARBEIT, Marx - Feature Radio Z, Nürnberg
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Videoclip "Der heimliche Aufmarsch"
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