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KURT WEILL JAGT FANTÔMAS / 2018

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Die folgenreiche Begegnung des Herrn Weill mit dem Bösewicht Fantômas im Pariser Transit 1933-35

„Als Kurt Weill, der berühmte deutsche Komponist der Dreigroschenoper, in einer stürmischen Nacht im März 1933 im schwarzen Mercedes Benz Special Roadster des Bühnenbildners Caspar Neher von Berlin das Hotel Jacob in Saint Germain des Prés in Paris erreichte, hatte er neben seinen beiden schweren Koffern nur die Skizze für einen Auftrag für Radio Paris in den Händen: eine Moritat über den amoralischen Schurken Fantômas. Doch wo sind die Noten geblieben? Durch welche mysteriösen Machenschaften sind sie verschollen? Scheinbar niemand kannte das Werk... bis heute!“

1933 flüchtete Kurt Weill aus Nazi-Deutschland in die französische Hauptstadt, letztlich nur als zweijährige Durchgangsstation in die Emigration nach Amerika, noch ganz verhaftet in der von ihm und Bertolt Brecht entwickelten sperrigen Dreigroschenoper-Ästhetik und begann hier sich zu dem eleganten Broadway- und Musicalkomponisten zu entwickeln, der weltweite Bekanntheit erzielte.
Was hat sich speziell im Pariser Transit getan, welche Einflüsse haben in dieser Zeit auf Weill gewirkt? Hat seine ästhetische Veränderung etwas mit der Tatsache zu tun, auf der Flucht gewesen zu sein? Oder in einer anderen Sprache zu arbeiten? Wie hat sich der zuspitzende Antisemitismus der Pariser Musikwelt auf sein Schaffen ausgewirkt? Als Flüchtling entwickelte Weill hier seine Fähigkeit, sich an bestehende musikalisch-ästhetische Konventionen “anzupassen” und diese eigenständig weiter zu formulieren. Hat sich seine politische Kunst beziehungsweise politische Haltung aufgelöst oder nur verändert? Brecht hatte ihn ja später ein bisschen dafür verdammt. Zu recht?
In der Live-Hörspielperformance KURT WEILL JAGT FANTÔMAS begibt sich der Komponist und Hörspielautor Oliver Augst, zusammen mit der Künstlerin und Sängerin Charlotte Simon und dem Musiker Alexandre Bellenger auf Spurensuche in Sachen Kurt Weill in Paris. Ausgehend von den weitgehend vergessenen Liedern dieser Zeit – von Au fond de la Seine bis J’attends un navire (letzteres wurde wenige Jahre später zur geheimen Hymne der französischen Résistance) – lässt Augst diese vergleichsweise obskure Phase in Weills Schaffen aufscheinen und neu erklingen – als komponierte Interpretation, die als Liebeserklärung ans Original mit dialektischem „Weiterdenken“ in die Jetztzeit verstanden werden kann: historische Abstände werden aufgehoben und gleichzeitig klargemacht, Konturen geschärft und verschleiert, Formen dekonstruiert und neugeschaffen.
Dabei interessieren Augst besonders die „toten Winkel“ in Weills Schaffen, die ein weites Feld für spielerische Mutmaßungen und Spekulationen eröffnen. So zieht sich La Grande Complainte de Fantômas, eine Moritat, die Weill – seit Mackie Messer ausgewiesener Experte für Bösewichte – 1933 für ein Hörspiel nach einem Gedicht des französischen Autors Robert Desnos schrieb, gleich eines roten Fadens durch das Stück. Fantômas, der amoralische Schurke aus den Groschenheftromanen von Pierre Souvestre und Marcel Allain, der “König des Verbrechens“, erlangte zu jener Zeit bei französischen Künstlern und Intellektuellen, allen voran den Surrealisten, Kultstatus. Sein ruheloses Herumstreifen, der dauernde, durch Flucht vor den Behörden bedingte Orts- und Identitätswechsel übte eine starke Faszination auf die Avantgarde aus, die seine gewalttätig-kriminelle Seite als Auflehnung gegen bestehende starre, veralte Gesellschaftsstrukturen deutete. Der Anti-Held Fantômas verkörpert so die dunkle Bedrohung des aufkommenden Faschismus ebenso wie das Versprechen auf künstlerische Freiheit und Selbstbestimmung.
Von der legendären Inszenierung des Hörspiels von Radio Paris – bestehend aus einem 100-köpfigen Ensemble mit Antonin Artaud in der Rolle des Fantômas – gibt es keine Aufzeichnung, auch die Noten der Moritat gelten als verschollen. KURT WEILL JAGT FANTOMAS imaginiert indessen die folgenreiche Begegnung des Herrn Weill mit dem Bösewicht Fantômas. Dabei geht das Stück subversiv-hintersinnig der Frage nach, ob bei der Verwandlung Weills vom E- zum U-Musiker etwa noch ganz andere, finstere Mächte ihre Hände im Spiel hatten, und lässt Fantômas, den Unfassbaren, Meister des Verschwindens, als Alter Ego des verfolgten und getriebenen, heimatlosen Komponisten aufscheinen... In dem Bühnentext aus der Feder des deutsch-französischen Pop-Duos Stereo Total vermischen sich Realität und Fiktion, Zitate und Behauptungen zu einem abenteuerlich-erhellenden „So könnte es gewesen sein“.
Und über all dem treibt Fantômas sein Unwesen... Hahaha !



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