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Augst/Daemgen/Krausz/Schuch

EUROVISION

Film und Konzert

Eine Koproduktion von textXTND, Avanti Film und sehstern Filmproduktion.

Der der Produktion zugrunde liegende Dokumentarfilm "EUROPA- Ein Kontinent als Beute" ist gefördert durch Mittel der Hessen Film und Medien GmbH

Von und mit:
Oliver Augst / Stimme, Performance, Bühnenbild
Marcel Daemgen / Keyboards, Sampling, Arrangements, musikalische Leitung
Reiner Krausz / Live-Filmbearbeitung, Kamera, Schnitt
Christoph Schuch / Regie, Kamera, Text

Mit :
Alexandre Bellenger (Paris) / Live-Elektronik, Gitarre

Jörg Fischer (Wiesbaden) / Drums

Statements, O-Töne und Präsenz im Film und teilweise live:

- Fabio de Masi, Hamburg, Mitglied des europäischen Parlaments.

- Dirk Müller (Mr. Dax), Börsenmakler und Buchautor.
- Paula Gil (Lissabon), Aktivistin

Es ist geplant, bei möglichst jedem Auftritt, einen der oben genannten Interviewpartner des Films als Live-Gast dabei zu haben.
Zudem sind aktuelle Statements der Filmemacher Schuch und Krausz als Teil der Performance geplant.

Ich bin Europaabgeordneter geworden, weil ich wütend war. Hier geht ne ganze Menge den Bach runter, also, wenn wir jetzt an die Eurokrise denken. Sinkende Löhne, sinkende Renten, die Wirtschaft seit sechs sieben Jahren in der Depression. Es gibt sicherlich Sachen, die vielleicht mehr Spass machen im Leben, aber ich seh das hier als eine tolle Herausforderung. Ich streit mich gerne. Und dann kann ich dann wenigstens in ein paar Jahren in den Spiegel schaun und sagen: ich hab nicht einfach nur zugesehen.
Fabio de Masi

Produktionsteam:
Dr. Astrid Ihle / Dramaturgie
Matti  Kunstek / Projektleitung
Matthias Rieker / Live-Tontechnik
N.N. / Live-Video- und Lichttechnik
N.N. / Presse, Öffentlichkeitsarbeit
Elisa Ehinger / Projektassistenz
N.N. / Bühnenbildassistenz

Nach Texten
von Bertolt Brecht,
O-Tönen/Texten der beteiligten Interviewpartner,
Statements zur tagesaktuellen Entwicklung und Problematik Europas der verschiedenen geladenen Interviewgäste (s.o.)

Musik
von Hanns Eisler, sowie Improvisationen, Neukompositionen von Augst/Bellenger/Daemgen/Fischer

In Erwägung, dass wir der Regierung,
was sie immer auch verspricht, nicht trau'n,
haben wir beschlossen, unter eig'ner Führung
uns nunmehr ein bessres Leben aufzubau'n.

Bertolt Brecht (ausResolution der Kommunarden)

Produktionsbeginn: Januar 2017
Premiere im Juni 2017

EXPOSÉ

AUSGANGSSITUATION:

Was passiert da gerade in Europa? Nachdem die europäischen Staaten und Völker in den letzten Jahrzehnten immer enger zusammen gewachsen sind, greift seit dem „Ausbruch der Finanzkrise” Völkerhass, Klassenkampf und egoistischer Nationalismus immer offener um sich. Doch ist diese sogenannte „Finanzkrise” nicht eine große Nebelkerze, um die Umverteilung des Vermögens von unten nach oben immer dreister voranzutreiben?!

Westliche Demokratien wie Griechenland und Portugal verloren im Zuge der Krise Stück für Stück ihrer staatlichen Souveränität an die sogenannte Troika und über viele Jahrzehnte erkämpfte Arbeitsrechte sowie Sozialstandards wurden im Zuge der „Schock-Therapie“ im Handstreich hinweg gefegt. Flankiert von Maßnahmen wie Versammlungsverboten, geheimen Handelsabkommen sowie neuen Polizei- und Überwachungsgesetzen, werden flächendeckende Privatisierungen und die Macht großer Konzerne in immer mehr europäischen Ländern durchgeboxt.

Was wir hier in einer Art Schnelldurchlauf mitbekommen, ist eine sich zuspitzende, fundamentale moralische und politische Krise Europas.

Das Medientheater nimmt uns mit auf eine untouristische Reise durch Spanien, Portugal und Deutschland, macht Ausflüge ins Europäische Parlament nach Brüssel, in ein Büro in Basel, schaut wortlos auf Geschehnisse bei den Blockupy-Demonstationen von 2012 bis 2015 in Frankfurt , während - teils live, teils im Film -  ein Politiker, ein Historiker und ein Börsenmakler als Interviewpartner versuchen, die teilweise groteske Situation Europas zu analysieren.

Einige Mütter in Portugal müssen ihre Kinder an Einrichtungen abgeben, weil sie sie einfach nicht mehr ernähren können. Viele Mütter können nur noch einmal am Tag eine Mahlzeit anbieten, weil sie nicht mehr Geld haben. Wenn du eigentlich ins Krankenhaus gehen musst, aber nicht die Gebühren bezahlen kannst, dann gehst du nicht. Und ältere Menschen, Rentner, die eigentlich Medikamente brauchen, nehmen sie nicht mehr ein, da sie nicht mehr gleichzeitig für ihr Geld Essen und Medizin kaufen können. Das ist eine Katastrophe.
Paula Gil

Uns erzählen Aktivistinnen aus dem Süden Europas von korrupten Eliten und dem täglichen Kampf ums Überleben. Beobachtende, teils hypnotische Bilder zeigen was es heißt, in einem „Ramschland” zu leben, oder geben Raum, die Analysen der Protagonisten in Ruhe aufzunehmen. Dabei korrespondieren die Bilder aus den Städten, neben Lissabon und Valencia auch aus Frankfurt am Main  (* oben bereits erwähnt*) und vielfältigen, mitunter gegensätzlichen Landschaften, Bauruinen und verödeten Autobahnen mit dem ebenso eindrucksvollen, wie ungewöhnlichen Live-Sound in der Tonebene des Films und den zu neuer Aktualität erwachten Liedern von Brecht und Eisler.

PERFORMANCE

1 große Filmleinwand, 4 Performer frontal zum Publikum. Gesang, Sprache. Elektronische Klangerzeuger, Mikrophone, Papiere, Bücher, Partituren; Kabelstränge (Szenenbild in Anlehnung an BRAZIL?), technische Vernetzung, minimale Eingriffe in Raum und Licht, Nebel.

Medientheater als Behauptung und Versuchsapparat. Bild, Klang und Text bilden das Material. Mit unterschiedlichen subjektiven Zugriffstechniken der einzelnen Performer werden die angeeigneten Materialien durch Interaktion, Integration, Ausschluss variabel und spezifisch ausdifferenziert, ausgesprochen. In der live-Performance bilden sich daraus netzartige Archivstrukturen.
Jede Performance weicht von der anderen stark ab. Das Material, vor allem Texte, wird zeitlich und dynamisch immer neu arrangiert; zudem gibt es einen Fundus, aus dem stets neue Text- und Liedversatzstücke genommen werden; die jeweilige Formgestalt- oder besser: der Zeitverlauf der jeweiligen Performances differiert erheblich. Von Form lässt sich kaum sprechen - der Begriff vermittelt zu sehr Fixiertes, das Material bleibt quasi im flüssigen Aggregatzustand, kochend, brodelnd. Auch von work in progress zu sprechen wäre ungenau, es sind weder probenhafte Annäherungen, die das Publikum erlebt, noch ist es Unabgeschlossenes, das einem Abschluss entgegenstrebt, es sind Resultate.
Jede Performance ist ein vielstimmiges Ich, das sich zwar in der Zeit zu einem Wir-Ganzen verknotet als Simultaneität, aber es wird nicht homogen, es bleibt bei der unaufgelösten und heterogenen Vielstimmigkeit, die für uns Synonym ist und bleibt - für ein erstrebens- lebens- und erhaltenswertes Europa.

ICH – WIR (Europa)
offene Form, Improvisation (intant composing?):

Wie regelt sich aber die Situation, wenn sich einzelne Stimmen nicht dem harmonischen Gesetz der musikalischen „Gesellschaft“ fügen, stattdessen ein Eigenleben entwickeln, das der Zeit sich nicht enthebt, wenn also die Spur des momenthaften Ausbrechens am Ereignis klebt, wenn, wie gelegentlich in Bachs Fugen, der Kontrapunkt seine Herrschaft in Form einer Halsstarrigkeit des Stimmlichen gegenüber dem Harmonischen behauptet?
Ebenso durchgeistigte Schönbergs Atonalität den Widerstand der Stimme gegenüber dem harmonischen Gefüge, des Einzelnen gegenüber dem Kollektiven: Werk als Vermächtnis von Individualität, und als Krise des Zusammenspiels von Ich und Wir.

Doch verbleibt im Werkdenken die Annahme des gesellschaftlichen Soseins, spiegelt den gedanklichen Entwurf im Idealen - mag dieses noch so morbide sein. Dagegen behauptet die Improvisation eine andere Praxis, stellt sich dem Moment, um im nächsten zu verschwinden. Erneutes Auftauchen bedeutet dabei immer ein anderes Erscheinen, das dem Zeitpunkt stärker Rechnung trägt als der Werkfels in der Brandung. Damit einher geht in der Improvisation ein massiveres Ich, das sich zumeist stärker behauptet als das Wir, indem es stilistisch Eigenständigkeit erhebt, sich gerade nicht dem werkhaften Materialdenken unterwirft, sondern, hier vergleichbar mit Atonalität, die problematische Zone von Ich und Wir permanent abschreitet.  Improvisation, handelt es sich um den sozialen Akt einer Gruppe, konstituiert sich im quasi sprechenden Dialog, nicht unbedingt als herrschaftsfreier Dialog, sondern als ein Herrschaft austragender Dialog, eines gelegentlich ungehemmten An-die-Wand-Spielens, Nicht-zu-Wort-Kommen-lassens, eben die Defekte des Miteinander thematisierend.
Das Zuhören Roland Barthes im Sinne eines „Höre mir zu“, als Resonanz dessen also, was sich somatisch unbewusst ereignishaft mitteilt,  wandelt sich bei der Improvisation in „Höre uns zu“, wie nach den Gesetzen musikalischer Kommunikation eine Gruppe entsteht. Eine Gruppe allerdings, die nicht homogen sein will, sondern auf dem Primat des Ichs beharrt, um nur in bestimmten Momenten und vorübergehend zum Wir zu verschmelzen.

Improvisierte Musik und improvisiertes Theater besitzen den Vorzug, das Heterogene, die unbeugsame Selbständigkeit der Stimme ausdrücken zu dürfen, in Gesten des sich Sträubens, sich Verweigerns, des Andersseins. Um es mit Gumbrecht zu sagen, partizipiert Improvisation mehr an einer Präsenzkultur als an einer Subjektkultur. Der improvisierende Musiker repräsentiert und behauptet auch immer seinen Körper gegenüber der Gruppe, er stellt ihn aus und dieser kann für sich genossen, kaum aber werkhaft funktional interpretiert werden. 

 

 

 

„Wer nur etwas von Musik versteht, versteht auch davon nichts“
Hanns Eisler

 

MUSIK:

Eine musikalisch abstrakte Ebene, stilistisch "industrial" und "noise" wird gebrochen, ergänzt, überlagert, verfremdet mit historischen Liedern des Klassenkampfes des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, vor allem mit Liedern von Bertolt Brecht und Hanns Eisler.

Brecht/Eisler – Augst/Daemgen:

Bereits in den späten 1990er-Jahren setzte in Frankfurt und Umgebung eine erneute Beschäftigung mit dem Komponisten Hanns Eisler vor allem durch die Musiker Oliver Augst und Marcel Daemgen ein, die sich in der Gruppe textXTND zusammengefunden hatten, wie der Musikjournalist Hans Jürgen Linke herausstellt. Er erklärt: Augst & Daemgen entdeckten – oder produzierten – den postmodernen Eisler, den der emotional intensiven Lieder, deren Intensität und Intimität gerade aus der nonchalanten Negation jeglicher Sentimentalität entsteht. Sie produzierten zwei CDs, die Eisler als Komponisten von kunstvollen, kühl-sentimentalen Brecht-Liedern zeigen, als reflektierenden Musik-Agitator mit Popmusik-Appeal, als klugen Selbstbediener auf dem Gebrauchtwarenmarkt deutscher Lyrik.

Jenseits traditioneller Interpretation rangiert auch in dem hier vorgestellten Projekt ICH | EUROPA die Umsetzung der Eisler-Lieder durch Augst & Daemgen, auch hier verkörpern die Protagonisten musikalisch sehr verschiedene Welten: freie Improvisation, Noise-Ästhetik, Performance und bildende Kunst, klassische sowie Techno- Musik. Im bewußt unakademischen Zugriff geht derlei ästhetisch zusammen. Collagen, langsame Tempi, sperrige Formen leisten Widerstand gegen Beliebigkeit und Nostalgie.
Bereits die Titelauswahl bricht mit der Norm. Interpretationsgeschichtlich sind hier ideologisch eher unverbrauchtere Titel gewählt: "Im Blumengarten" beispielsweise, "Hotelzimmer" oder "Über den Selbstmord". Unspektakuläre Miniaturen aus der Zeit des Exils, die nicht nur für Weltsicht, Krieg und Klassenkampf, sondern für Verletzlichkeit und kleinere Beobachtungen des Lebens einstehen. Sehr unvermittelt wechseln die Arrangements; auch die aktuellen Kollegen geben ihre Handschrift dazu – Alexandre Bellenger aus Paris und Jörg Fischer.
Die Musiker bewegen sich dabei weniger in der alten Brecht-Eisler-Diseusen-Tradition, als auf spezifischen Frankfurter Spuren. Schließlich haben sich vor etlichen Jahren bereits Heiner Goebbels und Alfred Harth ausgiebig und eigensinnig mit Brecht und Eisler befaßt ("Vier Fäuste für Hanns Eisler", "Bertolt Brecht - Zeit wird knapp"). Augst & Daemgen gehen auf diesem Weg einen großen Schritt weiter und damit auch in eine neue Richtung. Sie verwenden rhythmisierte Samples, die Instrumentation ist äußerst sparsam, genau und durchdacht, das Klangkonzept geräuschhaft angereichert und voller Verfremdungseffekte, der Begriff von Werktreue verbindlich, aber weiträumig. Oliver Augst singt kunstlos, aber ausdrucksvoll, ganz leise und mit dem Mund so nahe am Mikro, daß beim Hören der Eindruck entsteht, man habe das Ohr nahe am Mund des Sängers. Die so entstehende vibrierende Intimität im meist elektronisch gestalteten kühlen Klangraum lenkt ein fahles, kunstvoll modellierendes Licht auf Brecht/ Eisler

Ästhetische Projektbeschreibung

EUROPA ist allemal einen Friedensnobelpreis wert.....
Dirk Müller, Mister Dax

Auch hier noch einmal eine unvermeidliche Vorbemerkung:
Politik wird immer komplizierter und besonders bezüglich der schillernd angstvoll dargebotenen Euro-Krise kaum noch nachvollziehbar. Die aktuellen TTIP-Verhandlungen sollen gar nicht mehr verstanden und gleich ganz unter Verschluss gehalten und somit der Öffentlichkeit vorenthalten werden. Das geschieht ganz offiziell und mit vollem Einverständnis der demokratisch gewählten Regierungen. Es entsteht eine politische Metaebene, die nichts mehr mit der Realität einer demokratischen und offenen Gesellschaft zu tun hat. Hunderttausende gehen auf die Straße und fordern Transparenz. Die regierenden Politiker halten still und ergeben sich widerspruchslos dem ungeheuerlichen Vorgang und schlittern gefährlich nah am Bruch ihres geleisteten Amtseids. Sind wir damit am Ende der demokratischen Phase in Europa angekommen? Übernimmt jetzt immer unverblümter eine bestimmte Wirtschaftslobby die Macht über die öffentliche Meinungsbildung und die demokratisch gewählten Parlamente?
In dem hier vorgestellten Medientheater ICH | EUROPA greifen wir die immer abstrakter werdende Metaebene der politischen Vorgänge in Europa auf, lassen Protagonisten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft die ungeheuerlichen Vorgänge erklären und konfrontieren diese mit der Wirklichkeit der betroffenen Gesellschaft, den Menschen auf der Straße.
Hat der Klassenkampf des 21. Jahrhunderts begonnen?

Wir arbeiten mit den Mitteln des Dokumentarfilms, der Musik, der Sprache und der live-Statements der o.g. Fachleute.
Alle Ebenen interagieren miteinander, bedingen und dekonstruieren sich gegenseitig

1. Der musikalische Soundtrack,  eigens für das Kino-Format zum Filmgeschehen im Studio entwickelt und “perfekt” gemixt, wird in diesem Fall live dazu gespielt. Was wie ein nostalgisch anmutender Rückgriff auf vergangene Stummfilmzeiten anmutet, wird deutlich erweitert und entwickelt sich im Verlauf der Performance zu einer subtilen Interaktion/Dekonstruktion zwischen dem Film, theatralischen und diskursiven Aktionen sowie Liedpräsentation, Textrezitationen und Deklamationen. Ein Akteur bedient während des Geschehens den Filmprojektor, der gestoppt, verlangsamt, zurückgespult und rückwärts gespielt, geloopt usw. werden kann. Die Live-Aktionen auf der Bühne korrespondieren mit diesen Eingriffen, die zum Teil einem festgelegten Ablaufplan, gleich einer musikalischen Partitur, folgen, aber auch in einem vorher definierten Zeitraum improvisiert werden können.

Die Musik wiederum hat zwei Ebenen: die klanglich-abstrakte und die konkret-liedhafte.
Die klanglich-abstrakte Ebene orientiert sich am Original-Film-Soundtrack und wird von Alexandre Bellenger und Augst & Daemgen live gespielt. Über bestimmte festgelegte Zeiträume korrespondiert die klanglich-abstrakte Ebene mit dem Film, unterliegt also ganz konventionell und unterstützend als Soundtrack, kann und soll aber auch aus dieser Rolle ausbrechen, die Bilder des Films stören, sie akustisch überlagern, neu interpretieren  oder auch radikal unterbrechen. Hier greifen kompositorische Vorgaben mit improvisatorischen Techniken ineinander, so dass z.B. allen Beteiligten klar ist, ab welchem Zeitpunkt ein Schnitt erfolgt und der Film in völliger Stille weiterläuft oder der geladene Gast auf der Bühne mit seinem Statement beginnt oder ein Lied von Brecht-Eisler anschließt.

Die liedhafte Ebene stellt mit den Brecht-Eisler-Liedbearbeitungen von Augst & Daemgen der aktuellen politischen Thematik eine historische Arbeiter- und Widerstandsästhetik gegenüber und verbindet diese musikalisch mit elektronischen Gitarrenklängen von Alexandre Bellenger aus der ursprünglichen Filmmusik. Auch diese Lieder können den laufenden Film nach der vorgegebenen Partitur überlagern, unterbrechen und/ oder wiederum durch den Neustart des Films unterbrochen werden.

2. Der Film:
Das filmische Ausgangsmaterial für das hier vorgestellte Medientheater stellt der Film „EUROPA – ein Kontinent als Beute“ von Christoph Schuch und Reiner Krausz von 2016 dar. Hier dürfen kritische Zeitgenossen ausreden, ihren Gedankengang zu Ende bringen, anstatt im üblichen absurden Talk-Show-Zirkus zynisch weggelächelt zu werden. In diesem Film zählt das gesprochene Wort und der zu Ende gedachte Gedanke.

3. Live-Gäste
Z.B. Dirk Müller (Mr. Dax), Börsenmakler und Buchautor. Der Gast steht mit seinen Textbeiträgen formal vollkommen gleichberechtigt neben der Film- und Musikebene. Auch er kann den Film z.B. an einer Stelle unterbrechen, ihn an einer bestimmten Stelle korrigieren oder um aktuelle Statements oder wirtschaftlich-politische Entwicklungen ergänzen. Das Publikum zu befragen ist auch denkbar. Der Ablauf dieser Inventionen wird kompositorisch-dramaturgisch festgelegt oder kann in Einzelfällen auch spontan geschehen.
Ebenso können die beiden Filmemacher die Möglichkeit nutzen, in den Prozess einzugreifen. Sie hätten noch tausend Geschichten und Bilder hinter jenen, die sie am Ende, zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgewählt haben. Doch Zeit ist vergangen, Dinge haben sich weiter entwickelt. Für Macher und Publikum bieten sich durch diese aktive und Genre überschreitende Form des Filmzeigens ungeahnte Möglichkeiten, das Gezeigte zu ergänzen, zu korrigieren oder zu hinterfragen.

Biografien

Oliver Augst
Sänger, Performer, Komponist
CD-, Hörspiel- und Bühnenproduktionen, verschiedene Ensembles, internationale Konzerttätigkeit u.a. in Zusammenarbeit mit Blixa Bargeld (D), Raymond Pettibon (USA), Schorsch Kamerun (D), Keiji Haino (J)
Mitbegründer und musikalischer Leiter der Veranstaltungsreihe „Utopie Station“ am Nationaltheater Mannheim.
Lehrbeauftragter an der HfG Offenbach, Kunsthochschule des Landes Hessen, an der Fachhochschule Frankfurt im Bereich Ästhetik, Kommunikation sowie an der Harz Hochschule für Medien und Informatik
He is a musician that is crossing real boundaries. If you haven't heard of him, it's because he's crossed a boundary that matters. Downtown, NYC

Letzte Produktion in Frankfurt:
DER ERNST NEGER KOMPLEX
Mousonturm, 2016

https://de.wikipedia.org/wiki/Oliver_Augst

Marcel Daemgen
seit 1989 freischaffender Komponist, Produzent und Live-Musiker in den Bereichen Elektronik-, Bühnen-, Film- und Popmusik.

Gründungsmitglied des Frankfurter Künstler- und Produktionskollektivs textXTND.
Zusammen mit Oliver Augst und in Koproduktion mit dem Deutschlandfunk-Köln Veröffentlichung zahlreicher CD Alben, u.a. Arbeiterlieder auf „MARX“, Neubearbeitungen deutschsprachiger Volkslieder auf „An den deutschen Mond“, Lieder von Peer Raben auf  „Fassbinder/Raben“ und aktuell die CD „DEIN LIED“, eingespielt mit dem Schlagzeuger Sven-Åke Johansson und den Gastsängern, Raymond Pettibon und Christian Anders.

Seit 1990 zahlreiche weitere Produktionen u.a. mit:
dem Electronic Music Theater (u.a. mit Oliver Augst, Thomas Dési, Michala Ehinger und Christoph Korn), der Band FREUNDSCHAFT, den Tänzern Christine Bürkle, Nik Haffner, und Stephen Galloway (Frankfurter Ballett), dem Saxofonisten Alfred 23 Harth, dem Saxofonisten Wolfgang Stryi (Ensemble Modern), dem Gitarristen Keiji Heino, (Tokio), dem Sänger Schorsch Kamerun (Goldene Zitronen), dem bildenden Künstler Raymond Pettibon (USA), dem Klarinettisten Rüdiger Carl, den Performancekünstlerinnen Sylvi Kretzschmar und Camilla Milena Fehér, den Schlagzeugern Sven-Åke Johansson und Jörg Fischer, dem Schriftsteller John Birke ...

Zahlreiche Live-Auftritte u.a.:
im Mousonturm und der Alten Oper, Frankfurt am Main / im 'Forum neuer Musik', Deutschlandfunk-Sendesaal, Köln / in Fylkingen, Zentrum für Neue Musik, Stockholm / in der 'Knitting Factory’, New York City / im Theatre des Amandiers, Paris / im Künstlerhaus, Wien im Rahmen des Festivals 'Wien Modern' / bei der 'Ars Electronica' und im Brucknerhaus, Linz / beim Jazz Festival 'San Juan Evangelista', Madrid / dem Festival 'Politik im freien Theater', Sophiensaele, Berlin / beim Schumannfest, Düsseldorf / beim Festival 'Steirischer Herbst', Graz / im Gare du Nord – 'Bahnhof für Neue Musik’, Basel / im TR, 'The Song Is You - Festival', Warschau / beim 'Resistance-Festival’, Stockholm / beim Donaufestival, Krems / im 'Forum freies Theater’ – FFT, Düsseldorf / im Theater an der Gessnerallee, Zürich ...

Zahlreiche Auftragsmusik für Theater- und Filmmusik
Hessische Filmpreise 1999 und 2000
Er lebt und arbeitet in Offenbach und Frankfurt am Main.

Letzte Produktion in Frankfurt:
ON AIR: WOYZECK
Theaterhaus, 2016

Reiner Krausz

Geboren 1962 in Frankfurt am Main, studiert er dort zwanzig Jahre später
Kulturanthropologie. Sein Schwerpunkt: Soziologie und Visuelle Anthropolgie.
Nach dem Studium arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am
Frankfurter Institut für Sozialforschung. Parallel zu den Studien
fasziniert ihn die Fotografie. Seine Stadtfotografien erscheinen in
zahlreichen Publikationen. Dann begeistert ihn das bewegte Bild.

Seit 1996 geht er dieser Begeisterung nach und entdeckt als freier
Kameramann die Möglichkeiten der Bildsprache. Rhythmus, Tempo
und außergewöhnliche Ideen sind Kennzeichen seiner Kameraführung.
Der Reiz, im Schneideraum diesen Atem weiter umzusetzen,
ist nur konsequent.

Als Kameramann, Cutter, Regisseur und Produzent realisiert er zahlreiche
Filmbeiträge für verschiedene Fernsehformate. Sein Gespür für
spannende Geschichten, seine Team- und Begeisterungsfähigkeit
sind wichtiger Motor in seiner Tätigkeit als Produzent.
Er produziert mit sehstern Filmproduktion preisgekrönte
Filmprojekte wie unter anderem:

„Opernfieber“ (Kinodokumentarfilm, D/CH, 2005, Regie: Katharina Rupp)
Hessischer Filmpreis 2005 als bester Dokumentarfilm

"Spielverderber" (Kinodokumentarfilm, D, 2007, Regie:
Georg Nonnenmacher und Henning Drechsler)
Hessischer Filmpreis 2007 als bester Dokumentarfilm

 

Christoph Schuch
Seit 1991 produziert Christoph Schuch Filme, die sich  oft an der Schnittstelle von Mensch und Natur bewegen. Nach seinem Filmstudium (Visuelle Kommunikation) an der Universität Kassel und der portugiesischen Filmhochschule in Lissabon arbeitet er als freier Filmemacher für Kino, Fernsehen und kulturelle Einrichtungen.

Seit 1994 gibt Christoph Schuch darüber hinaus Seminare sowie Workshops zum Thema Bild- und Filmgestaltung für Schüler und Studenten.

Seine Filme liefen auf vielen internationalen Festivals wie der Berlinale, Viennale, in London, Moskau, Krakau, San Francisco, Nyon oder Athen.  Für Der Traum ist aus, Butterfly Stories, Der Schatten des Waldes, Stichpunkt Herz, Das Rätsel von Tunguska sowie Im Kosmos des Charles Jencks, wurde erin Deutschland, Frankreich, Polen und Italien mit internationalen Filmpreisen ausgezeichnet.

Alexandre Bellenger
Alexandre Bellenger, geboren 1975 in Paris, ist Improvisator, Turntablist, Gitarrist. Ausserdem Sushi-Koch, Sammler von klassischen Herrenschuhen, Serge Gainsbourg und Elvis Interpret, Jacques Lacan Spezialist und selbsternannter Psychoanalytiker… In Frankfurt war er in der “audio art series” im Künstlerhaus Mousonturm sowie im Trio CAB an der Seite von Rüdiger Carl und Oliver Augst zu hören. Der hessische Rundfunk sendete 2007 sein erstes experimentelles Hörspiel “Children Circus”.

Jörg Fischer
Schlagzeug. Sein Schwerpunkt liegt seit rund 20 Jahren im Free Jazz und in der frei improvisierten Musik. In den letzten Jahren spielt er öfter mit Elektronikern und E-Gitarristen zusammen, Richtung Noise-Impro und trashigem freeform-Rock (zwischen Captain Beefheart, Peter Brötzmann und Melt-Banana).
Inzwischen ist er auf einer ganzen Reihe von CDs zu hören, die letzten Veröffentlichungen sind z.B.: Lurk Lab, Duo mit Peter Brötzmann, Spicy Unit, Trios mit Mark Charig & Georg Wolf, Michael Denhoff & Ulrich Phillipp, Alfred 23 Harth & Marcel Daemgen.
"Selten ein solches Universum an (rein akustischen) Klängen gehört" - drums & percussion, 2/2013
"Einer der Großen in der Brotherhood of Drums" - Bad Alchemy, März 2012

ANHANG

TEXTBEISPIELE:

Unsterbliche Opfer
Brecht/Eisler

Unsterbliche Opfer ihr sanket dahin
wir stehen und weinen voll Schmerz Herz und Sinn.
Ihr kämpftet und starbet um kommendes Recht.
Wir aber, wir trauern der Zukunft geschlecht.

Einst aber wenn Freiheit den Menschen erstand
Und all‘ unser Sehnen Erfüllung fand.
Dann werden wir künden wie ihr einst gelebt.
Zum Höchsten der Menschheit empor nur getrebt.

Über den Selbstmord
Brecht/Eisler

In unserem Lande, und in dieser Zeit
Dürfte es trübe Abende nicht geben,‎
Auch hohe Brücken über die Flüsse.‎
Selbst die Stunde zwischen Nacht und Morgen
Und die ganze Winterzeit dazu,
das ist gefährlich!‎

Denn angesichts dieses Elends
werfen die Menschen
in einem Augenblick
ihr unerträgliche Leben fort.‎

Resolution der Kommunarden
Brecht/Eisler
1
In Erwägung unserer Schwäche machtet
Ihr Gesetze, die uns knechten soll'n.
Die Gesetze seien künftig nicht beachtet
in Erwägung, dass wir nicht mehr Knecht sein woll'n.
In Erwägung, dass Ihr uns dann eben
mit Gewehren und Kanonen droht,
haben wir beschlossen, nunmehr schlechtes Leben
mehr zu fürchten als den Tod.
2
In Erwägung, dass wir hungrig bleiben,
wenn wir dulden, dass Ihr uns bestehlt,
wollen wir mal feststell'n, dass nur Fensterscheiben
uns vom guten Brote trennen, das uns fehlt.
In Erwägung, dass Ihr uns dann eben...
3
In Erwägung, dass da Häuser stehen,
während Ihr uns ohne Bleibe lasst,
haben wir beschlossen, jetzt dort einzuziehen,
weil es uns in uns'ren Löchern nicht mehr passt.
In Erwägung, dass Ihr uns dann eben...
4
In Erwägung, es gibt zuviel Kohlen,
während es uns ohne Kohlen friert,
haben wir beschlossen, sie uns jetzt zu holen,
in Erwägung, dass es uns dann warm sein wird.
5
In Erwägung, dass wir der Regierung,
was sie immer auch verspricht, nicht trau'n,
haben wir beschlossen, unter eig'ner Führung
uns ein gutes Leben aufzubau'n.
In Erwägung, Ihr hört auf Kanonen,
and're Sprachen könnt Ihr nicht versteh'n,
müssen wir dann eben, ja das wird sich lohnen,
die Kanonen auf Euch dreh'n.

Es sind die finsteren Zeiten
Brecht/Eisler

Und es sind die finstern Zeiten
in der fremden Stadt,
doch es bleibt beim leichten Schreiten
und die Stirn ist glatt.
Harte Menschheit, unbeweget,
lang erfrornem Fischvolk gleich,
doch das Herz bleibt schnell gereget,
und das Lächeln weich.

Als ich dich gebar
Brecht/Eisler

Als ich dich gebar, schrien deine Brüder
schon um Suppe, und ich hatte sie nicht.
Als ich dich gebar, hatten wir kein Geld für den Gasmann
So erblicktest du von der Welt wenig Licht.

Als ich dich trug all die Monate
sprach ich mit deinem Vater über dich.
Aber wir hatten das Geld nicht für den Doktor
Das brauchten wir für den Brotaufstrich.

Als ich dich empfing, hatten wir
fast schon alle Hoffnung auf Brot und Arbeit begraben
Und nur bei Karl Marx und Lenin stand
wie wir Arbeiter eine Zukunft haben.

 

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