Die Hörspielversion von OTIUM möchte als eine klingende Hommage an Franz West verstanden werden, als Reflektion über Kunst, das Sein und die Welt, Wests künstlerisches Selbstverständnis…
Es handelt sich um die Vertonung von Aufzeichnungen realer bis fiktiver Gespräche zwischen einem illustren Personenkreis um Franz West (Künstler, Weggefährte Wests und Kunstvermittler), die sich so zugetragen haben könnten. (Die Personen: Otto Kobalek, Otto Zitko, Bernhard Riff, Peter Pakesch, Johannes Schlebrügge, “einer der Anwesenden”, “ein Bekannter”, “ein gewisser Galerist”...)
Neben den Akkordeon-Einspielungen von Rüdiger Carl benutzt das Hörspiel klassische Kunstlied-Zitate (Beethoven, Wagner, Mahler ...), die auf Wests Affinität zu diesem Genre (gewissermaßen aus Widerwillen gegen die „Pink Fluid“-artige Discomusikberieselung seiner Zeit, wie er selbst sagt) zurückgehen. Er setzte z.B. die Gellert-Lieder von Beethoven immer wieder in Installtionen oder Video-Arbeiten ein (z.B. Video "Studien zu Ernster Musik“, 2000) oder die Kunstlieder Schuberts und Schumanns in einem seiner frühen Objektbilder („Gaumensegel“, 1996 und „Chou-Chou“, 1998/2001 - ein Wortspiel mit den Namen der Komponisten).
Der Kurzschluss von Kunstlied und der im Grunde profanen Welt des Kunstgeschehens zeigt sehr deutlich Wests Hang zur Ironie, wie E. M. Raab es formulierte.
Das Hörspiel gliedert sich in 27 Kapitel, die mit den Begriffen "Mehr, Beim Brüten sich betrachtend, Progress, So sehen wir die Welt, Transformer, Temperatur, Die Zeit, Wir, Leute, Malen, Ach, Kunst, Wille zum Reden, Hier, Auswurf, Jauche, Lemuren, Kommst du mit?, Mein Körper, Kunsttheorie, Die Selbstfindung des Geistes, Wittgenstein, Was auf den Tisch kommt, Der Punkt, Vorschlag, Kommunismus, An Intellektuelle" überschrieben und angesagt werden.
Hintergrund:
OTIUM ist ein Künstlerbuch, das einzige Schriftwerk von Franz West. Es erschien anlässlich der Frankfurter Buchmesse 1995 (Gastland Österreich) auf Anregung von Kasper König.
Franz West nahm hierfür Ideen und Gedanken auf Band auf und ließ diese dann von einer schwedischen Musikstudentin mit der Schreibmaschine transkribieren. Bei der Textübertragung kam es fallweise zu „kreativen Missverständnissen“. Die von West vorgenommenen Korrekturen erschufen neue Textkonstellationen, die er passagenweise mit Tipp-Ex abdeckte oder handschriftlich überarbeitete, um das Gewicht, weg von den Worten, auf die Buchstaben und die Erhaltung der bildnerischen Dimension zu legen.
So entstand mit Otium eine lebhafte Sammlung aus Gedankensplittern, die in ihrer formalen Gestaltung kompositorische Elemente von verschiedenen Bedeutungslayern und Einschübe von liedhafter Poesie (Gedichte) beinhaltet.
"Ein Buch hat viele Buchstaben, so heißt es irgendwo im vorliegenden Text, der nun immerhin ein Buch geworden ist. Am Anfang war vielleicht so etwas wie ein Floh im Ohr, dann eine Tonspur, schließlich ein Typoskript, das in der letzten Überarbeitung jetzt zu diesem handfesten Ding geworden ist, zu einem Buch eben …" schreibt Max Wechsler im Nachwort zu Otium.
Franz West verfasste für sein Buchwerk keine Abhandlungen über seine Arbeit oder die Kunst im Allgemeinen, das Buch spiegelt vielmehr Fragmente seines Redens. Der Text ist darum auch von seiner Genese her ein Stück materialisierter Sprache. Sätze und Satzteile stellen sprachliche Figurationen dar und sind ihrem Sinn nach eine Art von écriture automatique.
Die Sprache als Arbeitsmaterial, zugleich Basis der künstlerischen Ausdrucksform, ist aus Wests bildnerischem Werk nicht wegzudenken.
West arbeitet in der Technik der Collage, indem er “fremdes” Bild- und Textmaterial (aus Illustrierten, Tageszeitungen etc.) mit Malerei kombiniert und den Gehalt durch eigene Bildtitel komplettiert. Dabei spielt das Textmaterial eine große Rolle. Das Einpassen dieser Fremdbestandteile, die zu Teilstücken des eigenen, originären Werkes werden, geschieht dialoghaft, manchmal auch vereinnahmend.
Auch als Urheber des Künstlerbuches respektive als Buchautor sah sich West nicht in der Rolle des Schriftstellers, als vielmehr in der des bildenden Künstlers:
„Ich will nicht sagen, dass ich jetzt ein Buch „haue“, aber ich bin ein Buchautor, das klingt ja so ähnlich wie Bildhauer“.
Das eigentliche Schreiben, so meinte West, stehe seinem Halbbruder Otto Kobalek zu, einem von West hochgeschätzten „Volksdichter“ aus dem Kreis um Helmut Qualtinger, und ließ daher Gedichte Kobaleks in Otium drucken. Da West die Rolle des Schriftstellers für sich verneinte, beschloss er, das Buchprojekt sprechenderweise zu schaffen.
Vertonung:
Durch den Text sich zur Sprache/zum Klang zurückarbeiten.
Die visuelle Gestaltung der Satzfragmente, Einschübe, Gedichte etc. werden als Partitur in Rhythmik, Dynamik und Proportionsanleitung gelesen, Überzeichnungen, Abdeckungen, Ausradierungen etc. als Klang-Einstellung verstanden, Farben, Hinweise, Zusätze, Zeichnungen klanglich abgebildet, Bilder, Fotos in Musik/Atmos übertragen.
Das Hörspiel greift Wests Verfahrensweise der visuellen Collagentechnik auf und versucht ein Pendant in Klang zu entwickeln.
Es zielt darauf ab, zur Stimme Franz Wests zurückzufinden, das Verfahren der Aufzeichnung (Gedankensammlung auf Diktaphon) aufzuzeigen, und zwischen den Zeilen immer Franz West durchschimmern zu lassen.
Letztlich: das Hörspiel möchte als Porträt über Franz West gehört werden.
Mittel:
Sprache, Gesang von verschiedenen Personen. (Ein Österreicher, zwei Deutsche.)
Instrumentale Improvisationen von Akkordeon. Electronics.
Original Musikeinspielungen, Zitate, Samples
Biografien:
Franz West (*16. Februar 1947 in Wien; † 25. Juli 2012 ebenda) lebte und arbeitete in Wien und machte sich vor allem im Bereich des dreidimensionalen Gestaltens (Plastik, Environments, Rauminstallationen) einen Namen. Aber auch Performances, Grafiken und Plakate finden sich in seinem Schaffen.
2011 erhielt West den Ehrenlöwen für sein Lebenswerk auf der Biennale von Venedig.
Rüdiger Carl (geb. 1944) ist eine der bedeutenden deutschen Musikerpersönlichkeiten im Bereich der improvisierten Musik, des Free Jazz und darüber hinaus. Er arbeitete seit den 1960er-Jahren mit zahlreichen, sehr unterschiedlichen internationalen Musikern, Komponisten und Performern zusammen, u.a. Irène Schweizer, Hans Reichel, Sven-Ake Johansson, Alexander von Schlippenbach und Peter Brötzmann, dem Kabarettisten Mathias Beltz, sowie seit den 1990er-Jahren auch mit Vertretern einer jüngeren Generation von experimentellen Musikern wie Oliver Augst, Burkard Kunkel und Alexandre Bellenger; er gründete diverse Ensembles und Bands und initiierte Projekte und Kollaborationen mit bildenden Künstlern wie Werner Büttner, Albert Oehlen, Martin Kippenberger, Günther Förg, Raymond Pettibon und Tobias Rehberger. Nebenbei verfolgt er eine Solokarriere als Komponist, Sänger und Hörspiel-Performer.
Heimo Zobernig (geb. 1958 in Mauthen, Kärnten) studierte von 1977 bis 1980 an der Akademie der bildenden Künste, von 1980 bis 1983 an der Hochschule für angewandte Kunst, Wien. Nach Professuren in der Städelschule Frankfurt a. M. (1999), lehrt er seit 2000 an der Akademie der bildenden Künste, Wien. 1993 erhielt er den Otto Mauer Preis, 1997 den Preis für Bildende Kunst der Stadt Wien. 2009 wurde ihm das goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien verliehen. Heimo Zobernig blickt auf eine Vielzahl internationaler Ausstellungen zurück, u. a. die Documenta 9 und X in Kassel, die "mid-career-survey" 2002 am Museum Moderner Kunst, Wien, die auch an der Kunsthalle Basel und am K21 in Düsseldorf zu sehen war, sowie die Bespielung des österreichischen Pavillons auf der Venedig Biennale 2015. Er lebt in Wien.
Oliver Augst (geb. 1962) Sänger, Performer, Komponist
CD-, Hörspiel- und Bühnenproduktionen, verschiedene Ensembles, internationale Konzerttätigkeit u.a. in Zusammenarbeit mit Blixa Bargeld (D), Raymond Pettibon (USA), Rüdiger Carl (D), Keiji Haino (J), Kurator der Konzertreihen "pol" Mousonturm 1998-2003 und "What Is Music?" im >raum für kultur< der Commerzbank Frankfurt 2009-2011
Mitbegründer und musikalischer Leiter der Veranstaltungsreihe „Utopie Station“ am Nationaltheater Mannheim
Lehrbeauftragter an der HfG Offenbach, Kunsthochschule des Landes Hessen, an der Fachhochschule Frankfurt im Bereich Ästhetik, Kommunikation und Medien
http://www.textxtnd.de
https://de.wikipedia.org/wiki/Oliver_Augst
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